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Brief von Dr. phil. Ilse Ermen (Basel) an Rektor und Unirat

 

Sehr geehrte Herren,

Mit Befremden habe ich von der geplanten Schliessung der Basler Slavistik sowie der Fächer Geowissenschaft und Astronomie, den Kürzungen in Fächern wie Mathematik - Streichung der theoretischen Mathematik - erfahren und erhebe dagegen Einspruch. Die Kürzungen erscheinen mir unsinnig und willkürlich, die Argumentationen entbehren der Grundlage. Dazu entsteht der Eindruck, dass hier politische Opportunitäten genutzt wurden – der Ordinarius für Slavistik, Prof. Andreas Guski, wird in wenigen Jahren emeritiert, also nimmt man an, dass sich niemand mehr für das Fach interessiert; die Astronomin, Dr. Eva Grebel, wurde neu an die Universität Basel berufen und hat deshalb vielleicht noch keine Lobby... Nicht auszuschliessen ist, dass hier politische Meinungen abgestraft werden.

Auch wenn mir als studierter Slavistin und ehemaliger Mitarbeiterin des Slavischen Seminars die Slavistik vertraut ist, möchte ich gleichzeitig meine Solidarität mit den anderen bedrohten Fächern erklären. Was die Astronomie anbetrifft, tritt dieses Fach häufig an die Öffentlichkeit und erfreut sich grosser Beliebtheit, ist also in gewisser Weise werbewirksam, ein "Trailer" für die Universität. Die Berufung einer Frau als Extraordinaria ist erfreulich, speziell in den im Verhältnis zu den Geisteswissenschaften noch stärker männerdominierten Naturwissenschaften. Die Streichung dagegen ist ärgerlich– liegt sie im Trend der neuen Schweizer Frauenfeindlichkeit?

Die Freiheit der Forschung sollte gewährleisten, dass auch in Bereichen gearbeitet werden kann, die sich nicht eines Massenzulaufs erfreuen bzw. nicht direkt der Wirtschaft zuarbeiten. Was bis anhin als wissenschaftliches Prinzip galt, scheint spätestens seit Bologna aus der Mode gekommen. Die vielgelobte Freiheit der Forschung erhält man aber nicht, in dem man Fächer mit geringen Studentenzahlen quasi zu "Orchideenfächern" erklärt ("gehört nicht zu unserem Profil") und von der Bühne verschwinden lässt. Dabei sollte man sich die Frage stellen, ist das Fach bzw. sein Forschungsinhalt überhaupt eine Orchidee (Slavistik, Astronomie) oder ist im Fall die "Orchidee" vielleicht die Grundlage der betreffenden Wissenschaft (theoretische Mathematik)? Was soll eine Wissenschaft ohne theoretisches Konzept, ohne philosophischen Hintergrund? Wieso wurde im Rahmen dieser Logik ausgerechnet die Theologie verschont – eine Frage, die sich aufgrund der personellen Zusammensetzung des Universitätsrats von selbst beantwortet – obwohl man doch erst mal einen Gottesbeweis erbringen müsste, um ihr eine Existenzberechtigung zu geben... Die zweite Frage ist, sind die wegrationalisierten "Branchen" überhaupt "unwirtschaftlich" und nach welchen Kriterien beurteilt man das? Und die dritte natürlich - bedeutet ersatzlos streichen eigentlich sinnvoll sparen?


Slavische Sprachen

Wie vielleicht nicht hinreichend bekannt ist, bildet die Gruppe der slavischen Sprachen mit 280 Millionen Sprechern die grösste Sprachfamilie Europas (Russisch - Polnisch - Ukrainisch -Weissrussisch - Tschechisch - Bulgarisch - Slovakisch - Slovenisch - Serbokroatisch -Makedonisch - Sorbisch). Mindestens jeder dritte Mensch in Europa spricht eine slavische Sprache. Russisch ist mit über 120 Mio Muttersprachler/innen die meistgesprochene Sprache Europas überhaupt, eine der sechs UNO-Sprachen, in weiten Teilen Osteuropas und Asiens Verkehrssprache (die ehemalige Sowjetunion, in der Russisch Amtssprache war, umfasste ein Sechstel der festen Erdoberfläche). Dass es sich bei diesem Studienobjekt um eine seltene, exotische Pflanze handelt, kann also wohl kaum behauptet werden. (Nichtsdestotrotz bietet die slavische Welt einiges für die Liebhaber der Miniatur mit diversen Klein- und Kleinstsprachen).

Zwar wird die Schweiz voraussichtlich nie der EU beitreten, Blocher zum Trotz wird sie aber weiter mit dieser als wichtiger Handelspartnerin zu tun haben, also in Zukunft auch mit den nicht ganz unmittelbaren, slavischen Nachbarn und EU-Neumitgliedern Polen, Tschechische Republik, Slovakei und Slovenien. Die Relevanz der genannten Länder und Sprachen gewinnt dadurch eine ganz neue Dimension. Ein grosser Teil der Einwanderer in der Schweiz und nicht wenige Neuschweizer/innen stammen aus slavischen Ländern, vornehmlich aus Jugoslawien, Kroatien, Bosnien. Eine Auseinandersetzung mit Sprache, Kunst und Literaturen – zu wenig beachtet, dabei enorm dynamisch – könnte dazu beitragen, diesen geopolitischen Raum aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten.


Unwirtschaftlichkeit und mangelnde Vernetzung?

Nun scheint an der Uni Basel die Rechnung gemacht zu werden "wenig Studierende = kein Output". Diese Unwirtschaftlichkeit müsste überhaupt erst bewiesen werden. Im Gegenteil herrscht in der Basler Slavistik ein gutes "Preis-Leistungsverhältnis": hier bietet eine gute Ausbildung, erreicht mit geringen Mitteln, gute Berufschancen. Im Vergleich zu anderen, keineswegs namenlosen Instituten, an denen ich gelernt und gelehrt habe – I.N.A.L.C.O. Paris und Freie Universität Berlin – ist das Niveau sehr hoch, was nicht zuletzt am persönlichen Engagement der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter liegt, wie auch an der guten Arbeitsatmosphäre und dem entspannten Verhältnis von Lehrenden und Studierenden. Zusatzangebote werden beispielsweise durch Einladungen an Gastdozenten, Austausch und Vernetzung mit anderen Universitäten - ob im deutschsprachigen oder im slavischen Raum - geschaffen. Während meiner Assistenz am Slavischen Seminar habe ich mit dem Ethnologischen Seminar und der Indogermanistik zusammengearbeitet und war am Aufbau der Allgemeinen Sprachwissenschaft aktiv beteiligt. Der Vorwurf der mangelnden Vernetzung ist für das Slavische Seminar wie auch alle einzelnen Mitarbeiter/innen der blanke Hohn. Mit einem Lizentiat in Slavistik und etwas Engagement ist man keineswegs der Arbeitslosigkeit ausgeliefert, sondern hat einige Chancen bei internationalen Organisationen (derer es in der Schweiz einige gibt: UNO, IKRK, etc.), bei Presse und Medien. Von spezifischen Berufsprofilen abgesehen, bietet die Slavistik ein gutes philologisches Grundlagenstudium, eine Einführung in wissenschaftliche Methoden und Denkweisen. Für die allgemeine Sprachwissenschaft sind slavische Sprachen als stark flektierend und aufgrund ihrer grammatikalischen Besonderheiten (Aspektologie) von grossem Interesse. Auf der Ebene der Grammatiklehre haben sie Vorzüge, die sonst dem Lateinischen zugeschrieben werden. Es ist alles in allem nicht recht einzusehen, wieso ein Institut, das mit geringem Aufwand vieles erreicht, also dem Prinzip der Ökonomie in höchstem Masse entspricht, ausgerechnet aus ökonomischen Gründen gestrichen werden soll.

Standort Basel

Man kann nicht behaupten, dass die Stadt Basel mit der slavischen Welt rein gar nichts zu tun hätte. Dazu ein Beispiel, das vielleicht nicht gerade auf der Hand liegt: Ein wichtiges Element von Basels internationalem Renommé bildet die Kunstszene: die "Art Basel" ist eine der wichtigsten Kunstmessen der Welt, mittlerweile etabliert hat sich auch die "Liste / The Young Art Fair". Künstler/innen aus aller Welt kommen nach Basel, Basler Künstler/innen gehen in die Welt. An den Kunstmessen, v.a. an der "Liste", sind Galerien aus osteuropäischen Ländern gut vertreten (hier machen sich auch Kleinstaaten wie Slovenien bemerkbar), die Kunst Osteuropas liegt nach wie vor im Trend. Adam Szymczyk, der neue Direktor der Basler Kunsthalle, ist Pole (ehem. Leiter der Warschauer Galerie Foksal). Die IAAB (Internationale Austauschateliers Basel) laden seit Jahren Künstler/innen aus Ländern der GUS (Russland, Ukraine, Georgien) ein und schicken Basler Kunstschaffende dorthin. Zwischen Basler und osteuropäischen Kunstszenen besteht somit auf unterschiedlichen Niveaus ein reger Austausch, der sicher Anreiz bietet, Kenntnisse der jeweiligen Kulturen auch wissenschaftlich zu vertiefen ...


Intelligenter sparen

Bevor man den Rotstift ansetzt, sollte man sich gründlich überlegen, wo und wie. Wo wird wirklich Geld verpufft, wie kann man interuniversitäre Synergien fördern, anstatt sie durch Streichungen zu ersticken? Mit der Schliessung blühender Institute, deren Engagement und Vernetzung eigentlich Modellcharakter haben sollten, erreicht man nichts, allerhöchstens stopft man temporär ein Geldloch. Auf die Dauer kann man der Universität in Forschung und Lehre dadurch nur schaden.


Mit freundlichen Grüssen
Dr. phil. Ilse Ermen

 

 

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