Homepage des Slav. Seminars
     

 

 

         • Worum geht es?

         • Aktuell / Aktionen

         Stellungnahmen

         • Was können wir tun?

         • Foren

         • Links

         • Homepage Slav. Sem.

         • Zurück zu 10 Jahre OE-Studien

 

Stellungnahmen · Argumente · Informationen (zurück zur Übersicht)

 

Russki go home oder der Geist der Modernisierung an der Uni Basel

 

Der Universitätsrat hat beschlossen, verschiedene kleinere Fächer zu schliessen, um die frei werdenden Mittel für andere Zwecke zu verwenden. Eines dieser Fächer ist die Slawistik, d.h. das Studium slawischer Sprachen, Literaturen und Kulturen. Dieser Entscheid ist aus mehreren Gründen schwer/nicht nachzuvollziehen.


Europa öffnet sich – und Basel schliesst das slawistische Institut

In wenigen Monaten erweitert sich Europa. Tschechien, die Slowakei, Slowenien, Polen, Ungarn und die baltischen Staaten treten der Europäischen Union bei, andere osteuropäische Länder werden folgen. Etwa ein Drittel der Europäer spricht eine slawische Sprache. Ein Blick auf die Landkarte genügt, um die Dimensionen dieses Entscheides zu erfassen. Europa öffnet sich – und Basel schliesst das Slawistische Institut. Mit dieser Politik wird ein wichtiger Teil Europas aus unserem Wahrnehmungsfeld weitgehend verschwinden. Wer schon osteuropäische Länder bereist hat, weiss, dass sich dieser heterogene Kulturraum in vielem von der Schweiz unterscheidet. Das hat historische Gründe. Über 50 Jahre waren die östlichen Länder Europas vom westlichen Teil getrennt und haben dementsprechend eine eigene Entwicklung hinter sich. Ein tieferes Verständnis für die uns oft seltsam anmutenden Vorgänge bedingt sowohl Sprach- als auch Kulturkenntnisse. Auch die Wirtschaft muss ein Interesse am Erhalt des Instituts haben. Das Slawische Seminar ist die einzige Institution, die eine tiefgreifende und intensive Beschäftigung mit slawischen Sprachen und Kulturen ermöglicht. Klubschulen und Privatkurse sind zwar begrüssenswert, können aber nicht annähernd das ersetzen, was bis jetzt am Slawischen Seminar geboten wurde. Dieses Argument wiegt umso schwerer, als es sich dabei um wichtige europäische Sprachen handelt.


Die Uni streicht Russland, Tschechien und Jugoslawien von ihrer Landkarte

Mit der Schliessung des Slawischen Seminars werden die Tore zu drei ausserordentlich bedeutsamen und noch weitgehend neu zu entdeckenden Regionen in Europa verengt.  Russisch ist die weltweit drittgrösste, in Europa die weitverbreitetste Sprache. Über 150 Mio. Menschen sprechen Russisch als ihre Muttersprache. Hinzu kommen die vielen Menschen in den ehemaligen sowjetischen Republiken, die fliessend Russisch sprechen. Russland ist eine wichtige Wirtschaftsmacht, die für die Schweiz noch an Bedeutung gewinnen wird. Tschechien wird in kurzer Zeit Mitglied der Europäischen Union, die Verflechtungen mit der Schweiz werden folglich schnell enger werden. Die ehemaligen Länder Jugoslawiens bilden einen weiteren Teil Europas, der mehr Beachtung verdient. Gerade die letzten Jahre haben gezeigt, dass die (notwendig) simplifizierenden Medienberichte nicht ausreichen, um die Ereignisse auf dem Balkan zu verstehen. Nur wer die jeweilige Sprache beherrscht, die Kultur kennt und einen historischen Überblick hat, kann überhaupt die Vielschichtigkeit der Probleme dieser Region erkennen. Nur ein wirklich böser Geist käme auf die Idee, dass den Herren der Unileitung der Import osteuropäischer Frauen im Unterhaltungsbereich als kulturelle Auseinandersetzung schon genüge.


Übergang Schule – Universität nicht gewährleistet

Nachdem Russisch 1995 von der Eidgenössischen Erziehungskonferenz EDK zu einem der möglichen Schwerpunktfächer an Gymnasien erklärt worden ist, ignoriert die Uni nun diesen Beschluss der EDK. (MAR, Art. 9, Abs. 3.b). Sollen die frischgebackenen Russisch-MaturandInnen der Regio ihr Studium anderswo aufnehmen?


Mit der Schliessung des slawischen Seminars spart man wenig, verliert aber viel.

Wenn man die Grösse und die Bedeutung der Länder betrachtet, erscheint es unverhältnismässig, das relativ kleine slawische Seminar zu schliessen. Die Einsparungen stehen in einem eklatanten Missverhältnis zum Verlust, denn das Institut ist mit nur einer festen Professur sehr klein (zum Vergleich: die Theologie, die nur geringfügig mehr Studenten hat, ist mit sechs Professuren ausgestattet). Ost- Ostmittel- und Südosteuropa sind zu bedeutsam als dass man dieses erstaunlich vielseitige und auch hinsichtlich seines wissenschaftlichen „Outputs“ sehr leistungsstarke Institut so leichtfertig streichen sollte. Gerade dieses Institut hat es mit minimalen Mitteln (aber mit viel Idealismus auf allen Ebenen) geschafft, einen grossen und bisher zu wenig beachteten Kulturraum zu thematisieren. Für weniger Geld ist so viel Leistung nirgendwo anders möglich. Die Ausarbeitung eines breit vernetzten und auch anwendungsbezogenen Studienganges „Osteuropa-Studien“ ist bereits in vollem Gange. Über ein Jahr Arbeit an einem interessanten und auch für die Schweiz einzigartigen Studiengang, der Qualifikationen in Sprache, Geschichte, Geographie und Besonderheiten des Rechts und der Ökonomie dieser Transformationsländer zusammenzuführen sucht, wird entwertet. Dieser Studiengang ist eine echte Modernisierung für die Uni Basel, ohne Kenntnis der Sprachen und Kulturen Osteuropas aber nicht realisierbar.


Auswirkungen auf andere Fächer

Die Schliessung des slawischen Seminars hätte auch Auswirkungen auf andere Fächer. Das Institut für osteuropäische Geschichte ist wesentlich auf Studenten angewiesen, welche die entsprechenden Quellen lesen können. Auch einschlägige Forschungsliteratur ist nur selten übersetzt. Dabei gibt es nach der Öffnung wichtiger Archive für Philologen und Historiker ein neues und breites Forschungsfeld. Es wäre eine bittere Ironie, wenn just zu dem Zeitpunkt der Öffnung Osteuropas die wissenschaftliche Beschäftigung aus fadenscheinigen Gründen abgesägt wird. Durch den Verlust der Slawistik würde auch der von den Sprachwissenschaften angestrebte Studiengang „Sprach- und Kommunikationswissenschaft“ in seiner Vielfalt beschnitten. Die Universität Basel verliert allgemein an Attraktivität. Studenten, die ihr nicht-slawistisches Fachwissen auf osteuropäische Länder ausrichten wollen, werden sich wohl vermehrt für Zürich oder Bern entscheiden. Wenn also als Grund angegeben wird, Slawistik, resp. Russistik könne auch andernorts studiert werden, so heisst das nur, dass man viele Studenten aus Basel wegschickt. Noch vor zwei Wochen präsentierte sich die Universität den Maturanden als attraktive Universität und war stolz auf ihr breites Angebot. Die Maturanden müssen sich nun betrogen fühlen und misstrauisch werden. Mit den nun beschlossenen Streichungen ganzer Fächer verliert die Universität an Attraktivität. Die Entscheidung über die Schliessung des slawischen Instituts muss deshalb nochmals überdacht werden.


Ökonomisierung der Bildung – Widersprüche

Dass die angestrebte Konzentration auf einzelne Kernbereiche v.a. zu Lasten der Geisteswissenschaften geht, hat seinen Grund in einer irrtümlichen Verkennung des Wertes dieser Wissenschaften. Die Philologien sind dabei besonders betroffen. Anscheinend können sie ihr Tun und ihre Notwendigkeit nur ungenügend darstellen. Sie werden auch zukünftig Federn lassen müssen. Denn die Aufgabe, ihre Daseinsberechtigung mit ökonomischen Argumenten zu untermauern, stellt jede geisteswissenschaftliche Disziplin vor Schwierigkeiten. Literatur, Theater, Kunst stehen seit je unter dem Verdacht, unnötig zu sein. Um wieviel mehr trifft das auf diejenigen Wissenschaften zu, die sich mit ihnen beschäftigen. Die Streichung von „unnötigen“ Fächern, so ist zu befürchten, wird weitergehen. Der ökonomisch-darwinistische Geist, der sich hinter dieser „Portfoliobereinigung“ verbirgt, verrät sich in seiner Sprache. Das Wort „Bereinigung“ ruft bei allen, die mit der neueren Geschichte der Sowjetunion nur entfernt vertraut sind, ungute Assoziationen hervor. Tatsächlich erklärt die Wortwahl viel. Alle Institute, die sich nicht zum „Leading House“ der Uni entwickeln, werden früher oder später auf der Streichliste des Rektorats erscheinen. Dabei fällt auf, dass die Theologie von der Modernisierungsaktion verschont wurde. Ob das wohl damit zusammenhängen mag, dass der Rektor aus diesem Haus stammt und darum die Modernisierung nur die andern betrifft? – Eine infame Unterstellung!

Das Slawische Seminar soll nicht gestrichen werden, weil es für das Basler Profil unwichtig ist, sondern weil sich aufgrund bald anstehender natürlicher Abgänge diese Streichung leichter als bei anderen Seminaren durchsetzen lässt. Von einem schönen Schattenriss ist bei diesem Basler Profil bald nichts mehr übrig.

Pius Frick (Assistent des Slawischen Seminars Basel)

 

Stellungnahmen · Argumente · Informationen (zurück zur Übersicht)

   

 

 

Interner Bereich