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Brief von PD Dr. Th. Grob (Zürich/Konstanz) an den Unirat



Sehr geehrter Herr Dr. Soiron,


gestatten Sie mir, die laufende Diskussion um die geplante Schliessung der Slavistik in Basel um einige Überlegungen zu ergänzen, die, soweit ich das verfolgen konnte, noch zu wenig deutlich geworden sind. Ich meine damit nicht das Kopfschütteln, dass dieser Entscheid vor dem Hintergrund der Tradition des Faches in Basel und seiner gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Bedeutung gerade in dieser Zeit bei allen auslösen muss, die auch nur von Ferne die Situation kennen (die doch etwas lapidaren Äusserungen des Unirates zur Slavistik, die sogar mit der “Ausbildung in slawischen Sprachen” verwechselt wird, können dies nur bestätigen). Hier ist es Sache der Basler zu entscheiden, ob man wirklich für eine derart minimale Einsparung ein so grosses Stück der eigenen Weltoffenheit und Europatauglichkeit opfern will.


Was ich hier ansprechen möchte, ist vielmehr die Art der Überlegungen, mit der gegenwärtig – insofern tatsächlich rationale planerische Überlegungen und nicht schlichte Konkurrenzkämpfe bestimmend sind – Universitätspolitik betrieben wird. Ich möchte nur drei Punkte erwähnen, für die mir dieser Fall typisch erscheint.

1. Es scheint in den zuständigen Gremien, in denen die Geisteswissenschaften durchgehend unterrepräsentiert sind, einen eklatanten Mangel an Bewusstsein darüber zu geben, dass auch eine an Effizienz der Mittelverwendung orientierte Hochschulpolitik nicht in allen Bereichen und Fächern dieselben Kriterien anwenden kann. Es wäre der Tod jeder Universität, würde sie in der Art einer Firma ‚strategisch‘ ausgerichtet oder wie eine Ansammlung biomedizinischer Laboratorien behandelt. Es stellt einen entscheidenden Unterschied dar, ob man die medizinische oder technische Forschung oder ob man ein kulturwissenschaftliches Fach organisiert. Was bei den einen Forschungsspitze hervorbringen kann, ist für den anderen eventuell tödlich. Slavistik ist ein Kulturfach, das Studierende verschiedener Ausrichtung mit Kompetenzen zu einem grossen und für uns bedeutenden Kulturraum ausrüsten muss; “Slavisten” finden sich nach dem Studium häufiger in Firmen, Banken und Versicherungen, in Bibliotheken, Schulen, Redaktionen, Verlagen oder in anderen Bereichen der Wissenschaft als in der “Slavistik”. Bei der Ausrichtung des Faches muss die Verbindung von hochstehender Forschung (die den Abschluss der Studierenden aufwertet, aber auch den Dialog mit den slavischen Kulturen ermöglicht) mit möglichst breiter Ausbildung im Vordergrund stehen. Denn man kann in gewissen Fächern Forschungsgebiete zentralisieren oder gar auf sie verzichten – man kann aber nicht per Beschluss das ganze Europa östlich von Deutschland oder Italien abschaffen, weil man das zufällig nicht für einen Schwerpunkt hält (wofür ich bisher übrigens nicht ein einziges Argument gehört habe). Mit Sicherheit werden der Region ohne Slavistik die Menschen fehlen, die für den Umgang mit Mittel- und Osteuropa das notwendige Know-how besitzen (das über die Sprachkenntnisse weit hinausgehen muss). Ganz abgesehen davon, dass ohne Slavistik auf längere Frist weder die Osteuropäische Geschichte noch der Russischunterricht an den Mittelschulen aufrecht erhalten werden könnten.

2. Immer wieder wird, auch von Ihnen persönlich, das Argument der Studentenzahlen angeführt. Alle wissen mittlerweile, dass dieses höchst eigenwillig eingesetzt wurde (da Fächer mit viel tieferen Studierendenzahlen pro Lehrstuhl unangetastet bleiben, weil sie offenbar eine Lobby haben). Müsste man nicht, um die Aufrichtigkeit zu wahren, zumindest mit Kosten pro StudentIn rechnen? Dann aber müsste man die Aufmerksamkeit auf die wirklich teuren Interessen der Uniplaner richten. So aber wird das Argument mit den Studentenzahlen zum Argument der reinen Opportunität: Man kürzt, wo man wenig Widerstand erwartet – und damit da, wo die Betreuungsverhältnisse zwar nicht sind wie in den viel gerühmten amerikanischen und englischen Spitzenuniversitäten (die über weit mehr Lehrstühle in der Slavistik verfügen), aber immerhin besser als in gewissen zu Recht beklagten Massenfächern.

Doch das ist nicht das Kernproblem. Denn das Argument der Studentenzahlen selbst wäre, auch konsequent angewendet, für eine universitäre Kultur ruinös: Wie wichtig eine Fachrichtung ist, kann sich nicht daran messen, wie viele Vertreter es davon braucht. Gerade ein Fach, dessen Kompetenzen so breit in das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben ausstrahlen, ist hier auch gar nicht objektiv quantifizierbar. Dies kann nur über Selbstregulierung derjenigen geschehen, die Studienfächer auswählen und kombinieren. Die Slavistik als kleines Fach ist dabei überdurchschnittlichen Schwankungen unterworfen, die stark von politischen Grosswetterlagen abhängig sind. Deswegen kann eine sinnvolle Politik nur in der Garantie von Kontinuität bestehen. Denn mittelfristig werden Mittel- und Osteuropa zweifellos noch entschieden näher rücken.

3. Die viel zitierte “Universität Schweiz” kann nur dann sinnvoll sein, wenn sie die Gegebenheiten der einzelnen Fachstrukturen berücksichtigt. Für die auch im schweizerischen Massstab minimal dotierte Slavistik mit ihrem riesigen Aufgabengebiet könnte dies nur bedeuten, dass man an den verschiedenen Standorten eine möglichst breite Grundausbildung (zu der in erster Linie, aber nicht nur die Sprachen gehören) anbietet, von der auch Nebenfächler und Nichtslavisten profitieren könnten. In einem Fach, das (sinnvollerweise!) einen aussergewöhnlich hohen Anteil an Nebenfachstudierenden ausweist, kann nicht auf der Ebene der Studierenden ‚koordiniert‘ werden: niemand würde, noch wenn dies technisch möglich wäre (was es nicht ist), wegen eines slavistischen Nebenfachstudium zur Hälfte an einer anderen Universität studieren, kaum jemand die Universität wechseln. Koordiniert werden könnte nur, indem man die spezialisierten Ressourcen der Lehrenden auch an anderen Universitäten nutzbar machen würde (was teilweise bereits praktiziert wird). Die Konzentration der Slavistik auf einzelne Standorte (die ja kaum mit Ausbau verbunden wäre) bedeutete faktisch nichts anderes als ihre Abschaffung; sie würde an den Kernorten kaum grösser und an den anderen Orten verschwinden, und es blieben nicht genügend Ressourcen, dieses von der Ausstattung her winzige (und billige), vom Gegenstandsbreich aber etwa der Romanistik gleichzusetzende Fach in Forschung und Lehre schweizweit auf dem gewünschten Stand zu halten. Hätte der Unirat sich um diese Probleme gekümmert, hätte dies mit Sicherheit gegen die Schliessung gesprochen.

Die grosse Stärke der Basler Universität ist ihre Tradition, und zu dieser gehört die Ausrichtung auf einen breiten kulturellen Horizont. Gerade philologische und kulturwissenschaftliche Fächer sind auf langfristiges Denken angewiesen: Sie bedürfen der langjährigen Pflege von Buchbeständen in Bibliotheken, von Forschungskontakten in die slavischen Länder, von Renommee bei Studierenden. Vor allem ihre kulturelle Ausstrahlung aber beruht auf langfristiger Aufbauarbeit, die man in sehr kurzer Zeit zerstören kann. Die Basler Slavistik hat hier in den vergangenen Jahrzehnten Hervorragendes geleistet.

Ich möchte daher den Unirat ersuchen, die Gegebenheiten noch einmal näher abzuklären. Es ist mir unvorstellbar, dass dieser Beschluss bei nüchterner und sachgerechter Betrachtung in dieser Weise umgesetzt würde.

Mit freundlichem Gruss

PD Dr. Thomas Grob


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