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Brief der Schweizerischen Akademischen Gesellschaft der Slavisten (SAGS) an Unirat und Rektor

 

Sehr geehrter Herr Präsident des Universitätsrats,
sehr geehrter Herr Rektor,

mit Bestürzung hat die Schweizerische Akademische Gesellschaft der Slavisten (SAGS) den Bericht des Basler Universitätsrates vom 22.1.2004 zur Kenntnis genommen, in dem die Abschaffung der Slavistik an der Universität Basel vorgeschlagen wird. Wir halten diesen Plan für einen gravierenden Fehlentscheid, der mit einem minimalen Spareffekt einen maximalen Schaden nicht nur für die Universität Basel, sondern auch für die Schweizer Slavistik anrichten würde. Unter allen Gesichtspunkten, die vom Universitätsrat zur Diskussion des Fächerangebots verabschiedet wurden, ist dieser Entscheid nicht nachvollziehbar:


1. Gesamtprofil: Wie bedeutend ist der Bereich für die Identität der Universität?

Die Slavistik gehört zum Kernbereich der Kulturwissenschaften. Sie hat Entscheidendes beizutragen zu einer "universitas litterarum" der Geisteswissenschaften. Es wäre äusserst kurzsichtig, die neueren Philologien nur noch auf den westeuropäischen Bereich zu beschränken. Die bisherige Stärke der Universität Basel lag in einem breiten Fächerangebot im phil.-hist. Bereich. Die Abschaffung der Slavistik wird die Attraktivität der neueren Philologien in Basel gerade im Hinblick auf die geplante verstärkte interdisziplinäre Ausrichtung schwächen.


2. Standort-Relevanz: Wie wichtig ist der Bereich für die Region Basel?

Die Region Basel verfügt traditionell über einen hohen Ausländeranteil, der immer mehr Osteuropäer ausweist. Wir werden in Zukunft eine gesteigerte Zahl von Fachkräften benötigen, die sich über eine osteuropäische Kulturkompetenz ausweisen können. Es gibt einen weiteren Punkt: Spezifische Basler Ressourcen wie z.B. die weltweit einzigartige philosophische Sammlung Fritz Lieb der UB könnten nicht mehr wissenschaftlich bearbeitet werden. Schliesslich bestanden während der Reformationszeit wichtige Kulturkontakte zwischen Basel und Polen. Mit einer Schliessung der Slavistik würde die Basler Universität einen einen wichtigen Aspekt ihrer eigenen intellektuellen Herkunft ausblenden.


3. Interne Vernetzung: Wie hoch ist die universitätsinterne Vernetzung des Bereichs mit andern Bereichen – zum Beispiel innerhalb von Curricula und Forschungsschwerpunkten?

Die Abschaffung der Slavistik gefährdet auch die Osteuropäische Geschichte. Beide Fächer sind eng miteinander vernetzt und planen einen gemeinsamen Studiengang Osteuropa-Studien. Überdies ist die Slavistik wesentlich bei der Planung des MA-Studiengangs «Sprach- und Kommunikationswissenschaften» beteiligt. In den vergangenen Jahren hat die Basler Slavistik zahlreiche interdisziplinäre Lehrveranstaltungen mit Germanisten (Pragerdeutsche Literatur) oder Musikwissenschaftlern (Schostakowitsch) abgehalten, die in den Evaluationen der Studierenden höchste Noten erzielt haben. Im letzten Semester fand eine interdisziplinär angelegte Vorlesung zu «Literaturtheorien im 20. Jahrhundert» statt, die von ca. 100 Germanisten, Anglisten, Romanisten und klassischen Philologen besucht wurde. Wichtige Theorieangebote aus dem slavischen Raum wie Russischer Formalismus, Prager Strukturalismus, Bachtins Romantheorie oder Konzeptionen der Postmoderne würden nach einer Abschaffung im literaturwissenschaftlichen Diskurs fehlen. Das im Jahr 2003 ausgearbeitete und vom Universitätsrat akzeptierte Konzept einer engeren Vernetzung der neueren Philologien wäre in Frage gestellt. Sprachwissenschaftliche Veranstaltungen des Slavischen Seminars werden nachweisbar zunehmend von Studierenden der Allgemeinen Sprachwissenschaft sowie nicht sprachwissenschaftlich ausgerichteter Fächer (z.B. Ethnologie) belegt.


4. Bedeutung und Vernetzung innerhalb der schweizerischen Hochschullandschaft: Wie wichtig ist der Bereich für das universitäre Angebot in der Schweiz?

Die Schweizer Slavistik ist seit jeher sehr knapp mit Stellen dotiert. Im Zuge der Bologna-Reform plant die SAGS einen slavistischen Campus Schweiz, der auf die Ressourcen aller Slavistik-Institute in der Schweiz angewiesen ist. Eine Schliessung der Basler Slavistik würde die gesamtschweizerische slavistische MA- und Doktorandenausbildung in Frage stellen. Darüber hinaus ist eine Vernetzung im Bereich der Slavischen Sprachwissenschaft zwischen Bern und Basel geplant. Ein entsprechendes Projekt wurde bereits als Beitrag zur Entwicklung des «Swiss Virtual Campus» eingereicht.


5. Wettbewerbsposition: Wie attraktiv und konkurrenzfähig ist der Bereich im nationalen und internationalen Umfeld?

Die Basler Slavistik hat im nationalen und internationalen Vergleich einen hervorragenden Ruf. Die Zahl der Doktorierenden und Habilitierenden ist weit überdurchschnittlich, in den letzten vier Jahren wurden zwei NF-Projekte durchgeführt, Forschungsergebnisse der Basler Slavistik wurden in führenden Fachzeitschriften und Handbüchern veröffentlicht. Die von A. Guski und H. Haumann herausgegebene Reihe «Basler Studien zur Kulturgeschichte Osteuropas» umfasst bereits 10 Bände und geniesst in Fachkreisen hohes Ansehen. Vor wenigen Jahren wurden im Auftrag der SAGW die Geisteswissenschaften anhand einiger ausgewählter Fächer evaluiert. Unter diesen Fächern befand sich auch die Slavistik. Dabei schnitt die Basler Slavistik ausgezeichnet ab: Ihr wurde ein sehr hohes Leistungsvermögen und internationale Konkurrenzfähigkeit bescheinigt.


6. Zukunftspotenzial: Wie werden die Entwicklungschancen eingeschätzt (Studierende, Forschung, gesellschaftliche Relevanz)?

Die Osteuropa-Forschung gehört zu den zentralen Bereichen der heutigen Kulturwissenschaften. Gerade im Jahr 2004, in dem zahlreiche osteuropäische Staaten in die EU aufgenommen werden, ist es absolut verfehlt, ein völliges akademisches Desinteresse an diesem Bereich zu signalisieren. Die Studierendenzahlen zeigen in allen Slavistikinstituten nach oben, generell ist ein erhöhtes Interesse an osteuropäischen Themen beobachtbar. In den Medien (Radio, Zeitung) herrscht eine verstärkte Nachfrage nach slavistischer Kulturkompetenz - zuletzt sehr intensiv im Zusammenhang mit dem Buchmessenschwerpunkt Russland in Frankfurt 2003.


7. Finanzieller Nutzeffekt: Wie hoch ist das Sparpotenzial bei einer Reduktion des Bereichs?

Der Nutzeffekt ist minimal. Die Streichung eines Studienfaches mit nur einem Lehrstuhl setzt alle Investitionen in den Sand, die in den letzten Jahrzehnten gemacht wurden. Ausserdem ist es unklug, irreversible Entscheidungen zu treffen: Noch vor fünf Jahren diskutierte man an verschiedenen Universitäten ernsthaft über die Abschaffung bzw. Konzentration der Islamwissenschaften. Davon kann keine Rede mehr sein nach dem 11.9.2001.


8. Kooperations- und Transfermöglichkeiten: Welche Möglichkeiten der Zusammenarbeit oder der Zusammenlegung besteht in einem Bereich innerhalb der Universität und in Zusammenarbeit mit andern Universitäten?

Die SAGS hat auf ihrer letzten Jahrestagung beschlossen, eine verstärkte Kooperation der Schweizer Slavistik-Institute einzuführen. Die Abschaffung der Basler Slavistik würde den Forschungsstandort Schweiz für die Slavistik ernsthaft gefährden, weil zentrale Elemente der Graduiertenausbildung nicht mehr angeboten werden könnten.

Die SAGS bittet den Universitätsrat aus den genannten Gründen eindringlich, die Slavistik an der Universität Basel weiterhin zu führen.

Mit freundlichen Grüssen,

Prof. Dr. Jean-Philippe Jaccard
Präsident der SAGS

 

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