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Brief von Prof. Dr. Ulrich Schmid (Bern) an den Unirat

 

Sehr geehrter Herr Dr. Soiron,

zu Ihrer Kenntnis schicke ich Ihnen meine Reaktion auf Ihr Interview in der NZZ am Sonntag vom 1.2.2004. Ich habe die NZZ am Sonntag gebeten, diesen Text als Leserbrief zu veröffentlichen.

Die Slavistik ist eine junge akademische Disziplin und hat sich an den Schweizer Universitäten erst in den Nachkriegsjahren etablieren können. Mit einer Schliessung der Basler Slavistik würden Sie mit einem Schlag eine enorme Aufbauarbeit vernichten.

Es genügt nicht, dass die Slavistik – wie Sie es vorschlagen – an einigen ausgewählten Schweizer Universitäten vertreten ist (in der Deutschschweiz verfügt allein das Zürcher Institut über zwei Professuren; die anderen Universitäten haben je nur einen slavistischen Lehrstuhl). Zum Vergleich: Auf dem Forschungsplatz Boston hält die Harvard University die Slavistik für so wichtig, dass sie sich 10 Professuren bei einer mit Basel vergleichbaren Studentenzahl leistet. In unmittelbarer Nachbarschaft zu Harvard bieten die Boston University, die University of Massachusetts und die Tufts University eine Russistik an. Die Schweizer Slavistik ist also mit einem Minimum an Lehr- und Forschungskapazität ausgestattet; der Verlust eines ganzen Instituts wäre für die Zukunft unseres Faches in der Schweiz verhängnisvoll. Gerade angesichts der Öffnung der EU nach Osteuropa ist die geplante Schliessung der Basler Slavistik ein absolut falsches Signal.

Ich verstehe, dass der Universitätsrat bei der andauernden Mittelknappheit zum Handeln gezwungen ist. Aber ich verstehe nicht, was ein Bauernopfer wie die Schliessung der Slavistik bringen soll. Auch hier muss man die Grössenordnung im Auge behalten: Die Universitätsverwaltung ist laut Jahresbericht allein von 2001 bis 2002 um mehr als das Sechsfache des Budgets der Basler Slavistik gewachsen!

Ich möchte Sie bitten, im Licht der von mir angeführten Argumente Ihr Szenario noch einmal zu überdenken.

Mit freundlichen Grüssen,

Prof. Dr. Ulrich Schmid I
nstitut für slavische Sprachen und Literaturen, Universität Bern

 

Leserbrief

Herr Soiron begründet die geplante Schliessung der Basler Slavistik u.a. mit dem folgenden Argument:

«So gibt es in der Schweiz beispielsweise sechs Universitäten, die Slawistik anbieten bei durchschnittlich 30 Studienanfängern pro Jahr.»

Dieser Satz ist auf fatale Weise unpräzise formuliert – es ist nicht klar, ob die genannte Zahl für die gesamte Schweiz oder für jedes einzelne Institut gilt. Im Kontext von Herrn Soirons Argumentation kann der Leser aber nur einen Schluss ziehen: Durchschnittlich hat jedes slavistische Institut in der Schweiz 5 Studienanfänger pro Jahr. Herr Soiron erweckt damit den Eindruck, dass das Slavistik-Angebot in der Schweiz in keinem Verhältnis zu der studentischen Nachfrage stehe und dass jeder verantwortungsbewusste Hochschulpolitiker bei einem solchen Überangebot sofort einschreiten müsse. Das genaue Gegenteil ist der Fall: Im letzten Jahr haben schweizweit 120 Studierende ein Slavistik-Studium aufgenommen. Überdies bieten nur gerade vier Schweizer Institute überhaupt ein Slavistik-Studium an, in Lausanne und Genf gibt es nur eine Russistik. Zur Zeit arbeitet die Schweizerische Akademische Gesellschaft der Slavisten im Zug der Bologna-Reform an einem slavistischen Campus Schweiz, in dem u.a. eine gemeinsame Doktorandenausbildung vorgesehen ist. Wenn nun bei ohnehin knappen Mitteln auch noch die Lehrkapazitäten der Basler Slavistik wegfallen, ist eine koordinierte slavistische Ausbildung in der Schweiz ernsthaft in Frage gestellt. Die Schweizer Slavistik hat trotz permanenter personeller Unterausstattung exzellente Leistungen in Forschung und Lehre erbracht. Vor wenigen Jahren wurden die Geisteswissenschaften in der Schweiz anhand einiger ausgewählter Fächer von einem internationalen Expertenteam evaluiert. Dabei wurde der Basler Slavistik eine ausserordentlich hohe Leistungsfähigkeit bescheinigt und auf die gravierende Unterausstattung aufmerksam gemacht. Das Basler Institut verfügt – wie die meisten Schweizer Institute – nur über einen einzigen Lehrstuhl, eine zweite Professur für Linguistik steht seit Jahren an erster Stelle der fakultären Prioritätenliste. Überdies würde eine Abschaffung der Slavistik die osteuropäische Geschichte in Basel direkt gefährden: Slavistische Kenntnisse stellen eine unabdingbare Voraussetzung für das Studium der osteuropäischen Geschichte dar. Von einem Überangebot kann also nicht die Rede sein: Die Schweizer Slavistik braucht das Basler Institut, und die Basler Universität braucht die Slavistik.

 

Prof. Dr. Ulrich Schmid

Institut für slavische Sprachen und Literaturen
Universität Bern

 

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