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Brief von Anke Stephan (München) an den Unirat

 

Sehr geehrter Herr Dr. Soiron,


fassungslos habe ich von der Ankündigung des Universitätsrates gelesen, das Seminar für Slawistik zu streichen. In der Begründung hieß es, die Slawistik stelle „keinen für die Universität wichtigen Teil des Basler Profils“ dar, sie stehe „unter dem Aspekt der Priorisierung nicht an vorderer Stelle“ und die „studentische Nachfrage“ sei nicht sehr groß (Bericht des Universitätsrates vom 22.1.2004, S. 16).

Ich möchte mit meinen Schreiben entschieden gegen diesen Beschluss protestieren und folgende Gründe für meinen Protest nennen:

Im Sommersemester 2000 habe ich mein Promotionsstudium der Osteuropäischen Geschichte an der Universität Basel aufgenommen. Der Betreuer meiner Arbeit ist Herr Prof. Dr. Heiko Haumann. Die Dissertation ist fast abgeschlossen, derzeit arbeite ich als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Seminar für Ost- und Südosteuropäische Geschichte der Universität München. Als ich mich nach Abschluss meines Geschichtsstudiums in Freiburg im Breisgau für das Promotionsstudium entschied, habe ich mich deshalb an der Universität Basel beworben, weil dort die Bedingungen für wissenschaftliches Arbeiten im Bereich Osteuropa hervorragend sind und Basel für die Osteuropaforschung sowohl in der Schweiz als auch im Ausland einen ausgezeichneten Ruf genießt. Ein Grund hierfür ist die gute Kooperation und Vernetzung der einzelnen Institute und Institutionen, gerade zwischen der Osteuropäischen Geschichte und dem Seminar für Slawistik. Meine eigene wissenschaftliche Arbeit hat durch den engen Austausch mit den Basler Slawisten sehr profitiert. Eine Streichung der Slawistik gefährdet in meinen Augen die Schweizer Osteuropaforschung als Ganzes, denn diese nimmt eine zentrale Stellung im Netzwerk der Osteuropa-Institutionen und Forschenden ein.

Ich halte es für fatal, einen zentralen Teil der Osteuropa-Wissenschaften zu einem Zeitpunkt aus dem akademischen Programm zu streichen, wo die Osterweiterung der Europäischen Union vor der Tür steht und die Märkte sich mehr und mehr nach Osten ausdehnen. Wer mit Ost- und Ostmitteleuropa wirtschaftlich und politisch kooperieren will, benötigt nicht nur wirtschaftliches und politisches Wissen, sondern auch gute Kenntnisse der Sprachen, der Kultur und der Literatur. Wer sollte diese vermitteln, wenn nicht die Slawistik?

Angesichts der zunehmenden Bedeutung Osteuropas auf dem internationalen Parkett werden in Basel derzeit ein „Kompetenzzentrum Osteuropa“ sowie ein interdisziplinärer Studiengang „BA/MA Osteuropa-Studien“ aufgebaut. Diese beiden Projekte stellen einen Versuch dar, die vor Ort vorhandenen Kompetenzen zu bündeln. Sie schöpfen aus einer großen Erfahrung in Zusammenarbeit und Vernetzung der verschiedenen Schweizer Osteuropa-Institutionen, beispielsweise den gemeinsamen Graduiertenkursen (der nächste wird vom 17.-20. Februar 2004 stattfinden), dem Schweizer Osteuropa-Tag, dem Slawisten-Netzwerk, der „Basler Initiative für Gender und Osteuropa“ (BIG-O). Fiele der Beitrag der Basler Slawistik weg, wären auch der Aufbau des Kompetenzzentrums und die Einrichtung des Studienganges gefährdet. Meines Erachtens lebt das sogenannte, vom Universitätsrat nicht näher definierte „Basler Profil“ von neuen innovativen Studiengängen sowie fächerübergreifenden Forschungs- und Lehrangeboten. Basel hat sich in der Vergangenheit mit seiner Osteuropaforschung und –lehre international einen Namen gemacht. Es ist mir völlig unverständlich, warum die Universität durch die Streichung eines so wichtigen Faches ihren Ruf im geisteswissenschaftlichen Bereich aufs Spiel setzt.

Es wurde vom Universitätsrat angeführt, derzeit wären in der Slawistik nur 90 Studierende eingeschrieben. Dieses Argument, die Nachfrage unter Studierenden sei gering, kann ich so nicht gelten lassen. Die Argumentation übersieht zum einen, dass auch zahlreiche fachfremde Studierende an den Veranstaltungen der Slawistik teilnehmen. Allein das Angebot an Sprachkursen wäre nicht zu ersetzen. Es ist mir nicht klar, wer in Zukunft für die Sprachausbildung der Studierenden verantwortlich sein soll. Zum anderen weisen andere Fakultäten weitaus geringere Studierendenzahlen auf, ohne dass deren Streichung auf dem Plan steht. Das Interesse am Fach Slawistik ist in der letzten Zeit deutlich gestiegen. Es ist damit zu rechnen, dass diese Tendenz ansteigt, zumal in Zukunft in Industrie, Politik und Kultur große Nachfrage nach Arbeitskräften mit profunden Osteuropakenntnissen bestehen wird.

Nicht zuletzt schmerzt es mich, dass eine traditionsreiche Fakultät geschlossen werden soll. Das Slawische Seminar in Basel gehört zu den ältesten im deutschsprachigen Raum und ist das älteste in der Schweiz. Seminarbibliothek und Universitätsbibliothek verfügen über einzigartige Sammlungen aus dem Bereich der Slawistik, beispielsweise die Fritz-Lieb-Sammlung und das Marina Zwetajewa-Archiv. Würde das Slawische Seminar der Streichung anheim fallen, so bräche eine jahrzehntelange Tradition jäh ab, die Investitionen vieler Jahre wären vergeblich gewesen.

Ich schließe in der Hoffnung, Universitätsrat und Universitätsleitung mögen ihr Votum noch einmal gründlich überdenken. Aus wissenschaftlichen, politischen und nicht zuletzt aus wirtschaftlichen Gründen wäre die Streichung des Basler Seminars für Slawistik ein herber Verlust.

Mit freundlichem Gruß,

Anke Stephan

 

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